Über die Edition
Emotionen sind ein Hauptwort im künstlerischen Schaffen Florian Meisenbergs. Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Hunden und Wesen in seiner artflash Cinema Edition rühren unsere Gefühle ganz unmittelbar: Ausgelöst durch die Körperhaltungen, Blicke und Interaktionen, die der Künstler ihnen mitgegeben hat. Wir erleben sie einsam, traurig, verliebt oder auch ein bisschen grausam. In ihren Augen oder Köpfen spiegeln sich Träume oder vielleicht auch Ängste. Die Bildhintergründe verstärken diese Effekte noch einmal, auf ganz unterschiedliche visuelle Art und Weise.
"Guilty-Dog-Videos" aus den sozialen Medien haben Meisenberg zu diesen Druckgrafiken inspiriert. „Mich fasziniert, wie wir Menschen diesen Hunden menschliche Emotionen wie Schuld zuschreiben, obwohl ihre tatsächlichen Gefühle und Gedanken für uns unverständlich bleiben“, sagt er. „Diese Fehlinterpretation zeigt viel über den menschlichen Wunsch, die Welt um uns herum zu verstehen und zu kontrollieren.“ Also alle Macht den Tieren? Wenn wir nur wüssten, was sie wirklich denken!
Mir scheint, die Motive auf den Arbeiten begleiten dich schon länger. Kannst du etwas zu den Motiven, Figuren, Schreibversuchen erzählen?
Ja, die Motive begleiten mich tatsächlich schon eine Weile. Sie sind oft Ausdruck meiner Beobachtungen und Gedanken, die ich über längere Zeit hinweg entwickle. Die Figuren, die in meinen Arbeiten erscheinen, sind nicht nur Darstellungen von Charakteren, sondern verkörpern oft Gefühle oder Ideen, die ich zu vermitteln versuche. Die Schreibversuche, die in meinen Werken auftauchen, sind eine Art, Gedanken und Emotionen direkt festzuhalten – als ob ich mit ihnen spreche oder ihnen Raum gebe, sich zu entfalten. Es ist ein Prozess, der sich mit meiner künstlerischen Entwicklung im Laufe der Zeit verändert hat.
Auch Hunde spielten schon eine Rolle in deinem Werk. In der artflash-Edition sehen wir jetzt Hundezeichnungen, Interaktionen mit anderen Tieren. Was symbolisieren diese Wesen für dich?
Hunde und andere Tiere in meinen Werken sind oft Stellvertreter für menschliche Emotionen und Verhaltensweisen. Sie repräsentieren eine Art von Unschuld, gleichzeitig aber auch komplexe soziale Interaktionen und Instinkte. Hunde sind für mich besonders interessant, weil sie so eng mit dem Menschen verbunden sind, gleichzeitig aber eine eigene, unabhängige Welt in sich tragen. Ich versuche diese Dualität zu betonen – das Tierische im Menschlichen und umgekehrt.
Du beziehst dich in deiner artflash Cinema Edition auf YouTube-Videos, in denen Hunde, die offenbar Blödsinn gemacht haben, vermeintlich erschrocken schauen. Was interessiert dich daran?
Mich fasziniert an diesen "Guilty-Dog-Videos", wie wir Menschen diesen Hunden menschliche Emotionen wie Schuld zuschreiben, obwohl ihre tatsächlichen Gefühle und Gedanken für uns unverständlich bleiben. Diese Fehlinterpretation zeigt viel über den menschlichen Wunsch, die Welt um uns herum zu verstehen und zu kontrollieren – selbst wenn das bedeutet, menschliche Eigenschaften auf Tiere zu projizieren. An den Videos interessiert mich besonders, wie sie das Verhältnis zwischen Mensch und Tier auf eine skurrile und manchmal tragikomische Weise offenbaren und unseren Umgang und Verständnis mit Schuld reflektieren und hinterfragen.
Was für eine Rolle spielt das Bewegtbild in deinem Werk? Welche Aspekte interessieren dich daran?
Das Medium Film ist besonders, weil es die einzigartige Fähigkeit besitzt, verschiedene künstlerische Ausdrucksformen wie Bild, Ton, Musik und Erzählung zu einer kraftvollen Einheit zu verschmelzen. Es spricht nicht nur einen, sondern alle Sinne an und kann innerhalb weniger Sekunden eine emotionale Verbindung zum Publikum herstellen. Zudem erlaubt Film eine zeitliche Komponente, die andere Medien nicht in derselben Form bieten können – er erzählt Geschichten im Fluss, schafft Atmosphären und hält die Spannung über längere Zeiträume aufrecht. Die Möglichkeit, komplexe Ideen und Emotionen unmittelbar und gleichzeitig direkt zu vermitteln, macht Film zu einem unvergleichlichen Medium.
Ich organisiere seit circa einem Jahr das Film Programm „Das Erste Mal“, es zeigt ausschließlich die allerersten Filme von Bildenden Künstlern. Diese sind fast ausschließlich in einer Zeit vor einer Bewusstwerdung des Künstlerseins oder gar vor einer Karriere entstanden und vermitteln die Notwendigkeit des Schaffens, etwas festzuhalten, wofür das Medium Film wunderbar geschaffen ist.
Last but not least, hast Du einen Lieblingsfilm?
Ja, viele: “Under the Skin” von Jonathan Glazer, “Melancholia”, überhaupt die Filme Lars von Triers, Tarkovskys, Hanneckes, Kubriks, Kurosawas.
Über den Künstler
Der Künstler Florian Meisenberg glaubt an die Magie der Malerei. Dabei hat er schon während seines Studiums an der Düsseldorfer Kunstakademie als Meisterschüler Peter Doigs begonnen, auch in anderen Medien wie Video und Performance zu arbeiten. Solange der Künstler authentisch sei, habe gute Malerei das Potenzial, „kreative Prozesse in Gestalt einer eingefrorenen Energie festzuhalten“, so der gebürtige Berliner Meisenberg. „Die Leinwand ist dabei der Träger, die es ermöglicht, dass der Schaffensprozess für den Betrachter noch nachvollziehbar ist.“ Leinwände bezeichnet er auch als „Screens“, was andeutet, dass er sein analoges Medium in den digitalen Raum hin erweitert ‒ aber genauso auch die umgekehrte Richtung einschlagen kann, wenn er beispielsweise einen überdimensionierten Cursor malt.
Seine erste Einzelschau in einem Museum hatte Meisenberg 2011 im Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen. Inzwischen stellt er international in renommierten Ausstellungshäusern aus, u.a. im Queens Museum of Art in New York, in der Kunsthalle Düsseldorf, im Kasseler Kunstverein, in den KW Kunstwerke Berlin, im ICA – Institute of Contemporary Art in Philadelphia und in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt.